Digitale Technologien verändern alle Lebensbereiche, auch die Tourismusbranche. Insbesondere Blockchain ist im Begriff, das Internet schlichtweg zu revolutionieren. Diesen Wandel gestaltet TUI aktiv und prägend mit – denn die Geschäftsaussichten sind so vielfältig wie vielversprechend.
Angenommen, es wäre Fußball-WM in Griechenland. Im Halbfinale in Thessaloniki gewinnt England gegen Deutschland in der Verlängerung mit 2:1. Während das eine Fan-Lager jubelt und sich euphorisiert auf das Finale freut, ist das andere maßlos enttäuscht. Abertausende von Reiseplanungen sind über den Haufen geworfen, Flüge und Übernachtungen in Hotels werden geändert, storniert, neu angefragt und gebucht. Nicht wenige Deutsche suchen Trost in der Heimat und noch mehr Engländer zieht es plötzlich in die Ägäis, um Sonne zu tanken und ihrer Nationalmannschaft so nahe wie möglich zu sein.
Jetzt würde es unübersichtlich, auch für TUI und seine Hotel-Partner. Jede einzelne Landesgesellschaft des Konzerns hat individuelle Verträge mit den Hoteliers in Griechenland geschlossen und die Vereinbarungen waren bislang in länderspezifischen Systemen und Datenbanken abgelegt. Die TUI-Kollegen auf den britischen Inseln würden nur auf Umwegen oder mit Verzögerung sehen, welche Betten in Deutschland storniert wurden und deshalb für die eigenen Urlauber frei wären. Es wäre ein bisschen wie beim Fußball: TUI und die Hoteliers könnten auf die neue Situation nicht mit einem schnellen Konter antworten.
Eine außergewöhnliche Situation wie diese tritt selten auf. Gleichwohl ist die zugrunde liegende Herausforderung für TUI alltäglich: Welche Ländergesellschaft wo welche Hotels gebucht oder freie Bettenkapazitäten hat, war lange nicht ohne weiteres feststellbar. 2016 entschied deshalb der TUI-Vorstand, dass an die Stelle des zu komplexen und intransparenten Systems eine neue Lösung treten soll. Hierbei setzt der Konzern bewusst auf eine der innovativsten Technologien der Gegenwart: die Blockchain, in deren Grundlagen und Chancen sich ein Mitarbeiter-Team von TUI tief eingearbeitet hat.
Das Engagement hat sich bereits gelohnt, aber noch wichtiger sind die vielfältigen Wachstumschancen, die sich für TUI aus der Anwendung der neuen Technologie in Zukunft ergeben. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es TUI, bestehende Geschäftsmodelle radikal zu ändern und neue möglich zu machen, von denen der Konzern profitieren will.
Eine atmende, dezentrale Datenbank
TUI nutzt die Blockchain gegenwärtig als eine Art dezentrale, besonders sichere und vertrauenswürdige Datenbank, um nachvollziehen zu können, welcher Markt welche Betten-Kontingente hat. Rund 650 Millionen Hotelbetten des TUI-Kontingents befinden sich in Hotels mit internationalem Konzept, die in den verschiedenen Märkten angeboten und nicht nur von einer Nation belegt werden. Dank Blockchain können diese Bettenkapazitäten über Märkte hinweg getauscht werden. „Wenn zum Beispiel in Großbritannien eine größere Nachfrage für ein Hotel auf Mallorca herrscht als vertraglich vereinbart, das deutsche Kontingent aber weniger ausgeschöpft wird, lassen sich Kapazitäten einfach verschieben“, sagt Martin Schreck, Director Product & Reservation bei TUI Deutschland. Die Folge: eine bessere Auslastung, höhere Erlöse sowie zufriedene Kunden und Hoteliers.
Anders als eine klassische, stationäre Datenbank ist die Blockchain auf vielen verschiedenen Rechnern hinterlegt. Jeder Partner hält die Daten bei sich vor. „Alle Änderungen und Aktualisierungen, die vorgenommen werden, sind für alle angeschlossenen Nutzer quasi in Echtzeit verfügbar und kontrollierbar“, sagt Martin Schreck. Dank dieser atmenden Netzwerk-Struktur arbeitet die gesamte Blockchain hochautomatisiert, sie ist für alle Teilnehmer stets transparent und gegen Fehler, Fälschungsversuche oder gar Hacker-Attacken geschützt. Gleichzeitig ändert sich für die angeschlossenen Nutzer im Frontend wenig, dieses ist gewohnt intuitiv und unkompliziert.
TUI arbeitet daran, dieses System des Betten-Tauschs in den kommenden Jahren auszubauen. Ziel ist es, alle entscheidenden Angaben über die vereinbarten und verfügbaren Betten-Kontingente sowie die zugrunde liegenden Verträge in der Blockchain zu hinterlegen. So würden Hoteliers und TUI direkt und automatisiert miteinander in Kontakt stehen, um eine möglichst kluge und hohe Auslastung sicherzustellen und dabei optimale Preise zu erzielen. Zwischenhändler, wie zum Beispiel Bettenbanken, sind in einem solchen Szenario überflüssig. Auch Zahlungen ließen sich in der Blockchain dank der integrierten digitalen Kryptowährung abwickeln.
Sicher, automatisch, digital
Aber das ist nur der Anfang. Die Technologie eröffnet eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die von TUI erforscht und ausgelotet werden. Umsetzbar ist es zum Beispiel, in der Blockchain mit so genannten Smart Contracts zu arbeiten – digitalen Verträgen, die sich vollautomatisch erfüllen, wenn bestimmte Bedingungen eintreten. „Die Blockchain könnte eigenständig Zahlungsanweisungen an den Kunden ausführen, wenn ein Flug Verspätung hat“, erklärt Lukas Schack, Datenanalyst im Strategie-Team von TUI. „Oder die Prämie wird direkt an den Versicherer überwiesen, wenn der Flug pünktlich ist.“ Für den Veranstalter und TUI wäre eine solche Abwicklung deutlich effizienter.
Zudem ist die Technologie ein potentes Werkzeug, um komplexe individuelle Reisen abzubilden. Man stelle sich eine zehntägige Rundreise in Marokko vor, bei der sechs verschiedene Hotels angesteuert werden. Dutzende Verträge mit unterschiedlichen Veranstaltern und Hoteliers sind notwendig. Dank Blockchain mit ihren integrierten Smart Contracts könnte all das beschleunigt und verschlankt werden. Spontane Vertragsänderungen, Zubuchungen auch mit externen Dienstleistern oder Zahlungen ließen sich jederzeit digital und für alle Beteiligten transparent hinterlegen. Für Urlauber ergäbe sich ein Höchstmaß an Freiheit und Variabilität – und für TUI eine Reihe vielversprechender Geschäftsperspektiven.
»TUI ist entschlossen, technologische Innovationen im Tourismus-Sektor voranzutreiben und selbst zu gestalten. Die Blockchain ist ein Beispiel dafür. So machen wir unser Geschäft und das unserer Partner transparenter, sicherer und profitabler.«
Reiseziel: Zukunft
Der Ausbau der IT-Landschaft hilft TUI effizienter zu werden, neue Erlösquellen zu erschließen und die Ziele von „TUI 2022“ zu erreichen. Neben Blockchain stehen weitere Technologien im Fokus.
In der CLOUD werden IT-Infrastruktur, Anwendungssoftware oder Rechenleistung über das Internet zur Verfügung gestellt. Die Services sind jederzeit und ortsunabhängig abrufbar, der Speicherplatz ist unbegrenzt, die Nutzung sehr sicher. So kann TUI Kosten für eigene Rechenzentren reduzieren.
Mit BIG DATA-Anwendungen lassen sich große Datenmengen schnell und günstig sammeln, speichern und analysieren. Die Daten werden nahezu in Echtzeit erfasst, etwa bei der GPS-Ortung oder bei der Aktualisierung von Einträgen in sozialen Medien. Big Data gewährt TUI so einen besseren Einblick in die Wünsche der Kunden und hilft, Angebote zu individualisieren. Alle Kundenangaben werden streng vertraulich und anonymisiert behandelt.
LTE steht für „Longtail Engine“. Longtail, eine Theorie aus der Internet-Ökonomie, besagt, dass sich Produkte online auch in kleineren Mengen erfolgreich und profitabel verkaufen lassen. Die Engine – der Motor – ist eine Software, mit der sich Reiseangebote dynamisch und effizient zusammenstellen lassen. LTE fungiert für TUI als Vertriebswerkzeug in Ländern, in denen der Konzern kein eigenes Veranstaltergeschäft hat.