Wer die Menschen in Sachen nachhaltigeres Wirtschaften zum Umdenken bringen möchte, muss oft im Kleinen beginnen. In etwa so klein wie eine kretische Olive – gepflanzt und bewirtschaftet von Bauern, die es wagen, neue Wege zu gehen.
»Ich weiß ganz genau, was meine Rolle in diesem Leben ist. Ich kann nicht drinnen sein, ich gehöre nach draußen zu meinen Oliven«
Dimitris Loumpakis ist ein kretischer Landwirt, der sein Land nachhaltig bewirtschaftet. Seit kurzem nimmt er an einem Pilotprojekt der TUI Care Foundation teil, das darauf setzt, den Wein- und Olivenanbau auf Kreta nachhaltig zu gestalten und langfristig mit dem Tourismus zu verknüpfen. Mit Dimitris sowie Sotiris Bampagiouris von den Local Food Experts, die das Projekt für TUI vor Ort umsetzen, machen wir uns auf den Weg in die Olivenhaine. Im Tal von Sarchos, 500 Meter über dem Meer gelegen, besuchen wir den Chonos-Olivenhain und erleben mit allen Sinnen, was dieses Kultur- und Wirtschaftsgut für die Menschen bedeutet, die sich dem nachhaltigen Olivenanbau verschrieben haben. Denn verschrieben haben muss man sich dieser Aufgabe: Die nachhaltige Bewirtschaftung ist besonders arbeitsintensiv, für einen rücksichtsvollen Umgang mit dem Boden und der umgebenden Vegetation wird der Einsatz schweren Gerätes vermieden, das in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt wird.
Dimitris würde es nicht anders haben wollen. Immer wieder hält er inne, reicht uns eine Bio-Zitrone zum genussvollen Schnuppern, pflückt wilden Oregano und sammelt am Wegesrand Walnüsse auf, die wir gemeinsam knacken. Was mit dem Duft unbekannter wilder Kräuter verführt und dem Besucher vor allem idyllisch scheint, ist noch viel mehr: das Gleichgewicht einer gesunden, lokalen Biodiversität. Hier setzt man auf Vielfalt und die Eigenschutzmechanismen der Natur im Kampf gegen Schädlinge. Und auch zum Schutz des ausgedörrten Bodens, der immer häufiger mit einem Wechselspiel von langen Dürreperioden und kurzem heftigen Starkregen zu kämpfen hat.
Eine Tradition für die Zukunft
Knapp 95 Prozent der auf Kreta angebauten Oliven werden zu Öl verarbeitet. Wer dieses Olivenöl verkostet, macht Bekanntschaft mit vielen Facetten der griechischen Insel. Die Olivenbäume mit ihren charakteristischen knorrigen Stämmen sind allgegenwärtig und prägen das Landschaftsbild.
Man liest, dass die ältesten Überreste kultivierter Oliven auf Kreta entdeckt wurden. Bei so viel Geschichte und Verbundenheit mit der am Baum fast unscheinbar wirkenden Steinfrucht versteht man den Stolz der Bauern. Viel kulturelles Erbe und Identität hängen mit den Olivenhainen und ihren Produkten zusammen. Knapp 44 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Kretas gehören den Olivenbäumen. Die Insel ist einer der größten Olivenölexporteure Europas.
Die Vielfalt im Chonos-Hain steht stellvertretend für die Insel Kreta. Die größte griechische Insel zählt mit 1.700 verschiedenen Pflanzenarten zu den artenreichsten Gebieten Europas. Und allein zehn Prozent dieser vielfältigen Flora sind endemischer Natur, das heißt, sie sind so nur auf Kreta zu finden.
Ein Aber gibt es bei diesen beeindruckenden Fakten: Der Anteil biologisch und gleichzeitig nachhaltig bewirtschafteter Olivenhaine ist noch gering. Ein Umstand, den das Projekt der TUI Care Foundation ändern möchte. Oliven-, Wein- und Getreidebauern finden ein Dach in der lokalen Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die lokalen Produzenten wie Dimitris mit weiterverarbeitenden Partnern und einem nachhaltigen Tourismus zusammenzubringen und so Kreta langfristig zu einer Vorbild-Destination für nachhaltige Ernährung auszubauen.
3 Fragen an
»Der wachsende Tourismus gefährdet den griechischen Geist. Wir schaffen Produkte, die ihn stärken und auch für Urlauber authentisch erlebbar machen.«
Versteckte Reichtümer
Sotiris Bampagiouris von den Local Food Experts ist der bewahrende Blick auf den Umgang mit der Natur in der Landwirtschaft wichtig. „Biologische Landwirtschaft ist nicht automatisch gleichzusetzen mit nachhaltiger Landwirtschaft. Das ist aber genau das, was wir in unseren Projekten anregen und umsetzen wollen: eine nachhaltige Bewirtschaftung nach Bio-Richtlinien, die nutzt und bewahrt, was sie vor Ort vorfindet“, erklärt uns Sotiris, der selbst Ökologischen Landbau studiert hat und sich seit 22 Jahren auf Kreta engagiert. „Das geht von der Produktion des eigenen Düngers bis hin zum Rückgriff auf lokale Arten in Flora und Fauna zum Schutz vor Insekten und zur Bewahrung des Bodens“, beschreibt Sotiris den Respekt für und die Rückbesinnung auf traditionelle Methoden des Olivenanbaus.
»Man sagt, der Olivenbaum stirbt nie. Es sind intelligente Bäume und wahre Anpassungskünstler.«
Überhaupt steckt ein Tag in den Olivenhainen voll kretischer Geschichte: Eine unscheinbare Ansammlung der knorrigen Bäume entpuppt sich als lebendige Historie. Die stattlichen Olivenbäume sind über 2.000 Jahre alt, Zeugnis der minoischen Kultur, einer der frühesten Hochkulturen Europas. Die Wurzeln der wilden Olivenbäume entwachsen buchstäblich der Vergangenheit. Darauf aufgesetzt, wiederum ein Zeugnis jüngerer Zeit, sind die Stecklinge ertragreicherer Olivensorten. Diese Form der Pflanzenveredelung kennen wir aus der Rosenzucht und dem Obstbau.
Hier auf Kreta mag man sie als Sinnbild für die Symbiose zwischen Mensch und Natur sehen. Doch nicht immer war diese symbiotische Beziehung von Respekt und Wissen geprägt.
Sotiris und Dimitris erzählen uns, dass in den 90er-Jahren Berater der Regierung die Bauern anhielten, ihre Olivenbäume, die teilweise Jahrhunderte alt waren, zugunsten ertragreicher Neupflanzungen aufzugeben. Es ging damals um intensive Anbauweisen, etwa mittels Stickstoffdüngern, Fräsmaschinen und intensiver Bewässerung. Heute bedauern viele diesen Schritt. Der nachhaltige Olivenanbau, den die Agrarwissenschaftler der Local Food Experts in ihren Seminaren lehren, ist ein Ansatz, um solche Fehler zukünftig zu vermeiden. Die Initiative betritt auf Kreta Neuland und hat Pilotcharakter: Will man zukünftig weiterdenken und auch den Tourismus mit einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise koppeln, müssen die Grundlagen dafür bei den Bauern geschaffen werden. Diese werden zu Multiplikatoren, zu Sprechern einer bewussten, wertschätzenden Annäherung an traditionelle Bewirtschaftung und Kulturpflanzen. Und sie schaffen Orte, die es Besuchern ermöglichen, in Kontakt mit ursprünglicher lokaler Küche und Kultur zu kommen.
Guten Appetit: Genuss verbindet
In der Ortschaft Kroussonas lernen wir Manolis Kokologiannakis kennen, einen Bekannten von Dimitris und Sotiris. Er betreibt hier ein Restaurant, das seit Generationen in Familienhand ist. Seine Anfänge als Koch hatte Manolis jedoch in der Hotellerie: In einem der großen Hotels an Kretas Küste war er für die Produktion von weit mehr als 100.000 Mahlzeiten im Jahr zuständig. Heute leitet er die Traditions-Taverne seiner Familie.
Die Zutaten für den Salat stammen vom eigenen, traditionell biologisch bewirtschafteten Feld. Das Schwein durfte in Ruhe aufwachsen, der Weißwein stammt von Reben, die so nur hier rund um das Dorf wachsen. Das satte, goldgelbgrüne Olivenöl wird zur inhaltlichen Klammer des ausgedehnten Mittagessens. Ob warm oder kalt, in jeder Speise wirkt es anders und immer rundet es das geschmackliche Erlebnis ab. Die traditionelle Olivenölverkostung wird zu einem Highlight. Man wünscht sich, dass noch viel mehr Besucher Kretas den Weg auch in lokale Restaurants wie das von Manolis finden. Nicht nur für den Genuss, sondern auch, um talentierten Menschen mit guten Ideen eine Grundlage zu geben, diese Ideen in die Tat umzusetzen. Das schafft neue Perspektiven in einer ländlichen Region, die unter der Landflucht der jungen Menschen leidet.
Der Ausbau Kretas zur Vorbilddestination für nachhaltige Ernährung im Urlaub, den die TUI Care Foundation in Zusammenarbeit mit Futouris und dem sozialen Unternehmen Local Food Experts vorantreibt, stärkt solche lokalen Initiativen. Wenn man langfristig einen Rückkopplungseffekt für die Bevölkerung in den jeweiligen Destinationen schaffen möchte, muss die Verknüpfung der lokalen Wirtschaft mit dem Tourismus im Kleinen beginnen.
3 Fragen an
»Tourismus ist die effektivste Form der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.«